Wer für einen Unfall beim Einfädeln haftet

(verpd) Im Rahmen des Einfädelns von einer Beschleunigungsspur auf die Fahrbahn einer Kraftfahrtstraße hatte sich eine Kollision ereignet. In diesem Fall spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Einfädelnden. Das hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 5. Juni 2020 entschieden (Az.: 9 U 23/20).

Ein Pkw-Fahrer wollte von einer Beschleunigungsspur aus nach links auf die Fahrbahn einer Kraftfahrtstraße einfahren. Dabei lenkte er sein Auto in eine Lücke, die sich nach seiner Wahrnehmung zwischen einem von hinten kommenden Lkw und einem weiteren Fahrzeug befand. Der Lkw fuhr daraufhin auf den Pkw des Mannes auf.

Für den dadurch an seinem Fahrzeug entstandenen Schaden hielt der Pkw-Fahrer den Lkw-Führer verantwortlich. Denn zu dem Unfall sei es nur gekommen, weil dieser seinen Laster plötzlich fahrlässig beschleunigt habe.

Vorfahrtsverletzung

Diese Argumentation überzeugte jedoch weder das in erster Instanz mit dem Fall befasste Essener Landgericht noch das von dem Pkw-Fahrer in Berufung angerufene Oberlandesgericht Hamm. Beide wiesen die Klage als unbegründet zurück.

Nach Ansicht der Richter hat der Kläger das dem Fahrer des Lastkraftwagens gemäß Paragraf 18 Absatz 3 StVO (Straßenverkehrsordnung) gebührende Vorfahrtsrecht verletzt, als er von der Beschleunigungsspur aus in die Lücke zwischen dem Lkw und dem davor fahrenden Auto einfuhr. Das Gegenteil habe er nicht beweisen können und somit den gegen ihn sprechenden Beweis des ersten Anscheins nicht erschüttert.

Das betreffe insbesondere seine Behauptung, dass für sein Einfahren auf die Kraftfahrtstraße ein ausreichend großer Abstand zwischen dem Lkw und dem vorausfahrenden Wagen bestanden habe. Denn nach der Aussage von Zeugen war der Abstand noch nicht einmal so groß, dass der Mann komplett in die Lücke habe einscheren können. Das Hammer Oberlandesgericht zeigte sich daher davon überzeugt, dass das Auto des Einfädelnden von dem Fahrer des Lastkraftwagens nicht wahrgenommen werden konnte.

Kein Mitverschulden

Von seinem Sitz aus sei die Sicht des Lkw-Fahrers auf das Geschehen unmittelbar vor und seitlich neben der Fahrzeugfront bauartbedingt ausgeschlossen gewesen. Ohne einen nicht vorgeschriebenen Zusatzspiegel im Bereich der Windschutzscheibe könne in dem Bereich vor einem Lastkraftwagen eine ganze Schulklasse nebst Lehrer Platz finden, ohne von dem Fahrer wahrgenommen werden zu können.

Angesichts des ihrer Meinung nach sorglosen und erheblich schuldhaften Verstoßes des Klägers gegen die Vorfahrtsregeln hielten es die Richter für nicht gerechtfertigt, dem Lenker des Lkws ein Mitverschulden anzulasten. Auch eine Haftung aus der Betriebsgefahr des Fahrzeugs komme nicht in Betracht.

Der einfädelnde Pkw-Fahrer hätte sich übrigens auch nicht auf das sogenannte Reißverschlussverfahren berufen können. Dies belegt ein Urteil des Amtsgerichts Burgwedel aus dem Jahr 2014. Denn dieses Verfahren sei nicht auf Beschleunigungsstreifen anwendbar.

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