Mit Karacho gegen die geöffnete Autotür

(verpd) Einen Fahrzeugführer trifft selbst dann nur ein geringes Mitverschulden, wenn er in einer verkehrsberuhigten Zone mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit gegen eine unachtsam geöffnete Tür eines am Straßenrand stehenden Fahrzeugs fährt. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Saarbrücken hervor (Az.: 13 S 135/21).

Eine Frau war mit ihrem Pkw in einer als verkehrsberuhigt ausgewiesenen Einbahnstraße unterwegs, als an einem auf der rechten Seite geparkten Taxi von einem Fahrgast plötzlich die hintere linke Tür geöffnet wurde. Bei der dadurch ausgelösten Kollision wurde ihr Fahrzeug beschädigt. Die Frau argumentierte, dass es zu der Kollision nicht gekommen wäre, wenn sich der Fahrgast vor dem Öffnen der Tür ausreichend nach hinten orientiert und die Tür vorsichtig und nicht vollständig geöffnet hätte.

Sie verklagte den Fahrgast sowie den Kfz-Haftpflichtversicherer des Taxis auf Ersatz des ihr bei dem Unfall entstandenen Schadens. Dem hielt der Fahrgast entgegen, dass er die Tür nach vorheriger Rückschau vorsichtig und vor allem nicht vollständig geöffnet habe, um aus dem Taxi auszusteigen.

Verletzung der Sorgfaltspflichten

Die Kollision sei nach Ansicht des Fahrgastes daher auf die Unachtsamkeit der Autofahrerin zurückzuführen. Diese sei zu nahe an dem Taxi vorbeigefahren. Sie habe nämlich damit rechnen müssen, dass gegebenenfalls ein Fahrgast aus dem Taxi aussteigen wollte. Anzulasten sie ihr außerdem, dass sie in der verkehrsberuhigten Straße nachweislich mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen sei.

Diese Argumentation überzeugte das Landgericht Saarbrücken jedoch nur bedingt. Es hielt die Klage weitgehend für begründet. Nach Ansicht der Richter habe der beklagte Fahrgast nicht beweisen können, dass er die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten im Sinne von Paragraf 1 Absatz 2 StVO (Straßenverkehrsordnung) beim Aussteigen aus dem Taxi nicht verletzt hatte. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe er die Tür nicht nur geringfügig, sondern 70 bis 80 Zentimeter weit auf der ohnehin schmalen Fahrbahn geöffnet.

Das habe ein von der Vorinstanz befragter Sachverständiger bestätigt. Zwar müsse ein Verkehrsteilnehmer, der an einem stehenden Fahrzeug vorbeifährt, einen angemessenen Seitenabstand einhalten. Der sei von der Klägerin jedoch nachweislich gewahrt worden. Denn der von ihr nach den Feststellungen des Gutachters eingehaltene Abstand sei grundsätzlich ausreichend gewesen, um dem Fahrgast des Taxis ein gefahrloses Türöffnen zu ermöglichen.

Deutlich überhöhte Geschwindigkeit

Hinter dem verkehrswidrigen Verhalten des Mannes trete allerdings die Betriebsgefahr des Autos der Frau nicht zurück. Denn in der verkehrsberuhigten Zone sei lediglich eine Höchstgeschwindigkeit von sieben Kilometern pro Stunde erlaubt gewesen.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei sie aber mindestens mit 20 Stundenkilometern und damit mit einer deutlich überhöhten Geschwindigkeit unterwegs gewesen. Sie müsse sich daher mit einer Quote von 25 Prozent an ihrem Schaden beteiligen. Die Richter sahen keine Veranlassung, ein Rechtsmittel gegen ihre Entscheidung zuzulassen.

Wird beim Aussteigen aus einem am Straßenrand stehenden Wagen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, so spricht nach einem Urteil des Landgerichts Hagen aus dem Jahr 2017 in der Regel der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflicht-Verletzung des Aussteigenden. Das hatte im Oktober 2009 auch der Bundesgerichtshof bestätigt.

Kostenschutz trotz Mitschuld

Übrigens: Eine bestehende Verkehrsrechtsschutz-Police übernimmt, wenn der Versicherer eine Leistungszusage gibt, die Kosten für die Geltendmachung der eigenen Schadenersatzansprüche beim Unfallgegner per Anwalt und wenn nötig auch vor Gericht.

Wer zudem als Unfallbeteiligter die Reparaturkosten seines Autos – wie im genannten Gerichtsfall – bei einem Mitverschulden nur teilweise oder bei einer alleinigen Unfallschuld gar nicht bezahlt bekommt, muss nicht auf diesen Kosten sitzen bleiben.

Eine bestehende Vollkasko-Versicherung leistet nämlich unter anderem für fahrlässig verursachte Unfallschäden am eigenen Fahrzeug, für die der Pkw-Halter/-Fahrer ganz oder teilweise selbst aufkommen muss. Allerdings kommt es dann auch zu einer Höherstufung des Schadenfreiheitsrabatts in der Vollkasko-Police. Je nach Schadenhöhe kann es sinnvoll sein, beim Kfz-Versicherer nachzufragen, ob es langfristig gesehen besser ist, den Schaden aus der eigenen Tasche zu zahlen oder über die Vollkaskoversicherung abzurechnen.

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