Mieten oder kaufen: So viel kostet Wohnen

(verpd) In 367 von 401 Landkreisen und kreisfreien Städten wäre Wohneigentum für den durchschnittlichen Haushalt finanzierbar, ergibt eine Musterrechnung einer Bank. Interessenten sollten aber Inflation, Energiekosten und Folgen der Pandemie in ihre aktuelle Kalkulation einpreisen – oder zumindest mitberücksichtigen.

Anziehende Zinsen, hohe Nebenkosten für Strom und Heizung sowie generell steigende Lebenshaltungskosten – unter diesen Vorzeichen kann der Kauf einer Immobilie zum finanziellen Fiasko werden.

Wie viel vom Haushaltseinkommen für Miete oder die Finanzierung des Eigenheims abgeht und welcher Betrag für die Investition überhaupt sinnvoll ist, hat die Postbank – eine Niederlassung der Deutschen Bank AG – für ihre Studie „Wohnatlas 2022“ untersucht. Es handelt sich hier um eine jährlich erscheinende, mehrteilige Studienreihe. Die vorliegende Auswertung wurde im Auftrag des Finanzinstituts von der Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut gGmbH (HWWI) für alle 401 Landkreise, kreisfreien Städte und Kreise in Deutschland erstellt.

Angaben zur Methodik

Die Experten vergleichen in ihrer aktuellen Studienfolge bundesweit die Kosten für den Kauf einer regionalen Immobilie zu den Mietpreisen vor Ort. Die Antwort auf die Frage „Kaufen oder Mieten?“ fällt nach Auswertung der Studienautoren regional sehr unterschiedlich aus. Sie basiert auf einer Modellrechnung für eine 70-Quadratmeter-Bestandswohnung. Vorgabe der Experten ist, dass die Immobilie oder die regionale Nettokaltmiete nicht mehr als 30 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens ausmachen darf.

Für die Finanzierung der eigenen vier Wände rechnet das HWWI mit einem Zinssatz von 1,6 Prozent, einer Anfangstilgung von drei Prozent, Notargebühren von zwei Prozent und 20 Prozent Eigenkapital. Nebenkosten für Grunderwerbsteuer oder Umbauten berücksichtigt die Kalkulation nicht.

In der diesjährigen Modellrechnung legen die Experten eine Tilgungsdauer von 26 Jahren zugrunde, im Vorjahr waren es nur 20 Jahre. Verlängert man den Zeitraum der Darlehensrückzahlung, sehen die Eckdaten der Finanzierung für den Käufer gleich besser aus.

In den Großstädten entspannt Mieten den Kontostand

Nach der Auswertung wäre 2021 der Kauf einer 70-Quadratmeter-Bestandswohnung in 367 von 401 Kreisen und kreisfreien Städten für einen Haushalt mit einem regionalen Durchschnittseinkommen „finanzierbar gewesen“, so die Autoren des Wohnatlas. Im Vorjahr waren es noch 378 Kreise und Städte, die für einen Immobilienerwerb in Frage kamen.

Allerdings gibt es Einschränkungen: In zwölf Regionen gehen im Schnitt mehr als 30 Prozent des verfügbaren Einkommens für die laufende Kreditfinanzierung vom Konto ab. Darunter fallen München, Berlin, Hamburg, Frankfurt, Potsdam, Freiburg und Heidelberg. Spitzenreiter ist und bleibt mit 46,3 Prozent der Landkreis Nordfriesland mit seinen Nordseeinseln. Auch die bayerischen Landkreise Miesbach und Garmisch-Patenkirchen, der niedersächsische Landkreis Aurich (mit Baltrum, Juist und Norderney) sowie der Landkreis Vorpommern-Rügen überschreiten die 30-Prozent-Marke.

„Jeder vierte Haushalt lebt in einer der 60 Regionen, in denen durchschnittlich mindestens 22,5 Prozent des regional verfügbaren Einkommens für die Finanzierung der Eigentumswohnung aufgewendet werden müssen“, schreiben die Autoren des Wohnatlas. Jeder fünfte Haushalt lebt dagegen in den 111 Regionen, in denen 12,5 Prozent ausreichen, um ein Bestandsobjekt zu finanzieren.

Kosten für Wohnen steigen deutlich – ohne Nebenkosten

Die HWWI-Modellrechnung zeigt, dass die Belastungen in 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2020 deutlich gestiegen sind. 16,3 Prozent (2020: 14,7 Prozent) mussten Käufer im Schnitt mehr für die Finanzierung einer 70-Quadratmeter-Eigentumswohnung an die Bank überweisen. In den sieben Metropolen und Großstädten kamen nochmal 1,8 Prozent oben drauf.

Zum Vergleich: Die Nettokaltmieten stagnierten. Im Durchschnitt über alle Landkreise und kreisfreien Städte mussten die Bürger 2021 wie bereits im Vergleichsvorjahr 14,2 Prozent monatlich für die Miete ausgeben. Man sollte aber bedenken, dass hier die steigenden Nebenkosten aufgrund des Ukrainekriegs noch nicht eingepreist sind.

„Wer sich zum Kauf entschließt, muss in der Regel höhere monatliche Einkommensbelastungen hinnehmen als in der Vergangenheit. Dazu können Inflation, höhere Energiekosten oder Pandemie-Folgen zusätzliche Ausgaben verursachen oder es kann sich die Einnahmesituation ändern“, lässt sich Eva Grunwald, Leiterin Immobiliengeschäft Postbank, in einer Mitteilung zitieren.

Einkommensanteil für Eigenheim-Finanzierung und Miete in den Metropolen

Stadt

Anteil Finanzierung Kauf in Prozent*

Anteil Miete in Prozent**

Durchschnittliches Einkommen*** in Euro

München

44,0

26,8

60.138

Berlin

38,8

23,4

39.643

Hamburg

36,3

21,4

49.211

Frankfurt am Main

35,6

24,0

51.450

Düsseldorf

29,1

19,0

51.452

Köln

28,1

21,9

48.740

Stuttgart

28,0

22,8

52.629

Große Kluft zwischen Mieten und Kaufen

Besonders deutlich zeigt sich die oben skizierte Entwicklung in Deutschlands sieben Großstädten. Die Nettokaltmieten für eine 70-Quadratmeter-Bestandswohnung blieben laut Wohnatlas auch 2021 in allen Metropolen unterhalb der 30-Prozent-Grenze.

Für die Finanzierung von Wohneigentum in diesen Städten ist diese Marke aber Schnee von gestern. Die Münchener liegen mittlerweile beim Kauf bei 44 Prozent, wenn man mit einer Tilgungsdauer von 26 Jahren rechnet. Im Vorjahr, bei einer Laufzeit der Finanzierung von 20 Jahren, waren es sogar 54 Prozent vom Haushaltseinkommen.

Unterschiede zwischen Kauf- und Mietbelastung fallen in München und Berlin auf. Während Mieter in der bayerischen Landeshauptstadt und der Hauptstadt an der Spree durchschnittlich rund 27 beziehungsweise 23 Prozent ihres Einkommens für ihre 70-Quadratmeter-Wohnung zahlen, müssen Käufer einen deutlich höheren Anteil einkalkulieren.

Wo sich Kaufen noch rechnen könnte

In 114 Landkreisen und kreisfreien Städten musste der durchschnittliche Haushalt 2021 laut Wohnatlas geringere oder gleich hohe Anteile des Haushaltseinkommens für die Finanzierung aufbringen als Mieter für die örtliche Nettokaltmiete. Positiv wirkt sich ein Kauf insbesondere in den Ost-Bundesländern aus. Im Schnitt sparten Wohnungskäufer in Sachsen-Anhalt und Thüringen 2,5 Prozentpunkte ihres verfügbaren Einkommens, wenn sie kaufen statt mieten. In Sachsen beträgt die Differenz 0,8 Prozentpunkte.

Einen Aufschlag von nur 0,1 Einkommens-Prozentpunkten auf die Mietbelastung zahlen Käufer in Dortmund und in den Landkreisen Wesel, Kleve und Warendorf (alle in NRW), in Worms (Rheinland-Pfalz) im Schwalm-Eder-Kreis (Hessen) sowie im Landkreis St. Wedel (Saarland). 0,2 Prozentpunkte ergeben sich für Magdeburg (Sachsen-Anhalt), Wolfsburg (Niedersachsen) und Remscheid (NRW). Die Optionen für potenzielle Käufer schrumpfen, so der Wohnatlas der Postbank vom Juni. Der Grund: Die Kaufpreise gehen gerade in den Metropolen als auch beliebten Ferienregionen durch die Decke.

Der Abstand zu den regionalen Mieten wird immer größer. Investitionen sind nur dort sinnvoll, wo die Preise in den kommenden Jahren steigen werden und diese Optionen werden weniger. Tipp: Eine Immobilienfinanzierung kann auch über eine Lebensversicherung erfolgen. Im Gegensatz zu den meisten Banken sind bei Versicherern auch Darlehen mit Zinsbindungen von 20 oder 30 Jahren möglich. Eine Lebensversicherung kann zudem zur Restschuldabsicherung verwendet werden, zum Beispiel für den Fall, dass der Kreditnehmer vor Ende der Darlehenslaufzeit verstirbt.

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