(verpd) Die Tatsache, dass ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall mehrere Monate abwartet, bevor er ein Ersatzfahrzeug anschafft, begründet die berechtigte Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen. In derartigen Fällen besteht daher kein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfall-Entschädigung. Das geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden hervor (Az.: 4 U 382/21).
Ein Mann hatte bei einem Verkehrsunfall einen Totalschaden seines Pkws erlitten. Das Auto war unfallbedingt nicht mehr fahrbereit. Ein Ersatzfahrzeug schaffte sich der Geschädigte monatelang nicht an. Seine Fahrten zur Arbeit bewältigte er durch ein gekauftes Fahrrad und durch gelegentliches Ausleihen von Fahrzeugen im Freundes- und Verwandtenkreis.
Wer den Unfall verschuldet hatte, konnte letztlich nur im Rahmen einer umfangreichen Beweisaufnahme durch die Vernehmung von Zeugen und die Beauftragung eines Sachverständigen geklärt werden. Erst danach stand die Alleinhaftung des an dem Unfall beteiligten Fahrers des zweiten Fahrzeugs fest mit dem Ergebnis, dass der Schaden durch den gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherer reguliert wurde.
Dieser weigerte sich jedoch, dem Geschädigten eine von ihm für mehrere Monate geltend gemachte Nutzungsausfall-Entschädigung zu zahlen. Das begründete der Versicherer damit, dass durch das Verhalten des Unfallopfers kein Nutzungswille zu erkennen gewesen sei. Der sei aber Voraussetzung für einen entsprechenden Anspruch.
Es komme hinzu, dass der Mann nicht zu erkennen gegeben habe, dass er über keine ausreichenden Mittel für die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs verfügte. Der Geschädigte klagte gegen diese Entscheidung.
Um seinen vermeintlichen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfall-Entschädigung gerichtlich durchsetzen zu können, beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Doch die wurde ihm mangels Erfolgsaussichten vom Dresdener Oberlandesgericht verweigert.
Die Richter schlossen sich der Meinung des gegnerischen Kfz-Versicherers an, dass ein Anspruch auf Zahlung einer entsprechenden Entschädigung nur dann besteht, wenn ein Geschädigter durch sein Verhalten darlegt, dass ein Wille an der Nutzung eines Ersatzfahrzeugs besteht.
In dem entschiedenen Fall fehle es jedoch am Nachweis eines Nutzungswillens. Denn obwohl er selbst über ausreichende finanzielle Mittel zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs verfügte beziehungsweise sich diese durch Aufnahme eines Kredits problemlos hätte beschaffen können, habe er keine entsprechenden Anstrengungen unternommen. Ein Unfallopfer habe zwar grundsätzlich einen Anspruch auf den sofortigen Ersatz des ihm entstandenen Schadens.
„Eine Verpflichtung des Geschädigten zur Schadenbeseitigung auf eigene Kosten einschließlich einer dafür erforderlichen Kreditaufnahme ist jedoch ausnahmsweise dann zu bejahen, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird“ – so das Gericht. Diese Voraussetzungen seien in dem entschiedenen Fall erfüllt gewesen.
Der Mann habe angesichts der schwierigen Beweislage gewusst, dass sich die Regulierung des Schadens hinziehen werde. Trotz allem habe er keine Anstrengungen zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs unternommen. Aufgrund dieser Umstände könne von keinem fortbestehenden Nutzungswillen ausgegangen werden. Auch ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfall-Entschädigung zumindest für die Zeit des von einem Gutachter veranschlagten Wiederbeschaffungs-Zeitraums bestehe nicht. Denn auch dieser würde einen Nutzungswillen voraussetzen.
Einen ähnlichen Fall, bei dem ein Unfallgeschädigter mit der Wiederherstellung oder Ersatzbeschaffung seines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Pkws mehrere Monate wartete, hatte das Landgericht Saarbrücken zu entscheiden. Auch hier entschied das Gericht, dass nur dann ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfall-Entschädigung zusteht, wenn ein Nutzungswille zu erkennen ist.
Wer nach einem Unfall sicherstellen möchte, dass er für den erlittenen Schaden ausreichend entschädigt wird, sollte sich zeitnah rechtlich beraten lassen. Eine bestehende Verkehrsrechtsschutz-Police hilft hier weiter. Denn eine solche Police übernimmt, wenn der Rechtsschutzversicherer eine Leistungszusage gibt, die Anwalts- und Prozesskosten für die Geltendmachung der eigenen Schadenersatzansprüche beim Unfallgegner.