(verpd) Seit zwölf Jahren sinkt der Anteil der Geringverdiener unter den Vollzeitbeschäftigten, dennoch betrifft es immer noch jeden sechsten und damit über 3,6 Millionen Arbeitnehmer. Deutlich höher ist der Anteil bei den Frauen und in bestimmten Branchen. Dies belegt eine Datenauswertung der aktuellen Verdienststatistik der Bundesagentur für Arbeit. Den Betroffenen droht im Alter eine Altersarmut.
In Deutschland gelten rund 16,5 Prozent aller sozialversicherungs-pflichtig Vollzeitbeschäftigten als Geringverdiener, wie eine Datenauswertung der aktuellen Engeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit zum Stichtag 31.12.2022 belegt. Das sind über 3,6 Millionen Beschäftigte, die Vollzeit arbeiten.
Analysiert wurde bei der Statistik das monatliche Bruttoarbeitseinkommen aller knapp 22,0 Millionen Personen, die am Stichtag hierzulande bei ihrem Arbeitgeber als sozialversicherungs-pflichtig vollzeitbeschäftigt galten. Minijobber, Teilzeitbeschäftigte, Auszubildende und Beschäftigte im Bundesfreiwilligendienst sind nicht miterfasst.
Als Geringverdiener gelten Vollzeitbeschäftigte, die ein Bruttoeinkommen haben, das niedriger ist als zwei Drittel des mittleren monatlichen Bruttoarbeitsentgeltes aller sozialversicherungs-pflichtig Vollzeitbeschäftigten.
Das mittlere (Median) monatliche Bruttoarbeitsentgelt betrug Ende 2022 deutschlandweit 3.626 Euro. Letztes Jahr galten damit alle Vollzeitbeschäftigten, die weniger als 2.431 Euro Monatsbruttoeinkommen hatten, als Geringverdiener.
Auch wenn der Anteil der Geringverdiener bei den Vollzeitbeschäftigten seit einigen Jahren zurückgeht – 2010 waren es noch 22,4 Prozent, 2015 20,2 Prozent, 2021 18,1 Prozent und 2022 16,5 Prozent – war letztes Jahr immer noch knapp jeder sechste Vollzeitbeschäftigte davon betroffen.
Zudem besteht weiterhin ein deutlicher geschlechter-spezifischer Unterschied. Bei den knapp 7,2 Millionen vollzeitbeschäftigten Frauen zählen 22,5 Prozent zu den Geringverdienern, bei den 14,8 Millionen Männern, die einer Vollzeittätigkeit nachgehen, sind es dagegen „nur“ 13,6 Prozent.
Die Statistikdaten belegen ferner, dass es deutliche regionale Unterschiede gibt. Während in Westdeutschland 14,7 Prozent der sozialversicherungs-pflichtig Vollzeitbeschäftigten Geringverdiener waren, lag der Anteil in Ostdeutschland mit 24,7 Prozent deutlich höher – gemessen an der bundesweiten Geringverdiener-Gehaltsgrenze von 2.431 Euro.
Und auch auf Bundesland- und Kreisebene zeigen sich entsprechende Unterschiede. Anteilig die meisten Geringverdiener gab es in Mecklenburg-Vorpommern mit 29,6 Prozent, in Thüringen mit 28,8 Prozent sowie in Sachsen mit 27,5 Prozent. Am besten schnitten diesbezüglich dagegen Hamburg mit 12,2 Prozent, Baden-Württemberg mit 12,4 Prozent und Bayern mit 13,6 Prozent ab.
Auf Land- und Stadtkreisebene ist der Anteil der Regionen mit den meisten Geringverdienern unter den Vollzeittätigen fast siebenfach höher als bei der Region, die den geringsten Wert diesbezüglich ausweist.
Die drei Regionen mit den prozentual meisten Geringverdienern unter den Vollzeittätigen waren Ende 2022 Görlitz und der Erzgebirgskreis mit je 37,4 Prozent sowie der Landkreis Elbe-Elster mit 35,4 Prozent. Den regional niedrigsten Anteil hatten dagegen die Stadt Wolfsburg mit 5,6 Prozent, die Stadt Erlangen mit 7,1 Prozent sowie der Landkreis München und die Stadt Stuttgart mit je 7,9 Prozent.
Auch bei den einzelnen Branchen gibt es einige, die deutlich mehr Vollzeitbeschäftigte mit einem durchschnittlich geringen Einkommen haben als andere. Am schlechtesten schneidet hier das Gastgewerbe ab: 56,3 Prozent der sozialversicherungs-pflichtig Vollzeitbeschäftigten, die hier tätig sind, zählen zu den Geringverdienern.
Ebenfalls hoch ist der Anteil der Geringverdiener in der Land- und Forstwirtschaft (46,3 Prozent) und bei sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (44,1 Prozent). Zu letzterem zählen unter anderem die Arbeitnehmer-Überlassungen. Sie schneiden mit anteilig 60,5 Prozent Geringverdienern bei den Vollzeitbeschäftigten besonders schlecht ab.
Am wenigsten Geringverdiener findet man im öffentlichen Dienst (2,6 Prozent), bei den Beschäftigten der Finanz- und Versicherungs-Dienstleistungen (3,8 Prozent) und im Bereich Information und Kommunikation (4,9 Prozent). Auch im Bergbau, bei der Energie- und Wasserversorgung sowie der Entsorgungswirtschaft (5,9 Prozent), im Bereich Erziehung und Unterricht (6,3 Prozent) sowie in der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie (6,8 Prozent) gibt es anteilig wenig Geringverdiener.
Ein weiteres Auswertungsergebnis belegt, wie wichtig eine gute Ausbildung ist. Während 38,3 Prozent der Vollzeitbeschäftigten ohne Berufsausbildung zu den Geringverdienern zählten, waren es bei den Personen mit anerkanntem Berufsabschluss 15,3 Prozent und bei den Akademikern nur 4,4 Prozent.
Geringverdiener haben allerdings nicht nur während ihres Erwerbsleben ein kleines Einkommen, auch im Rentenalter ist die gesetzliche Altersrente niedrig – und zwar so niedrig, dass eine Altersarmut droht. Dies verdeutlicht folgende Berechnung: Im Jahr 2022 verdiente ein sozialversicherungs-pflichtiger Vollzeitbeschäftigter im Jahresmittel (Median) in den alten Bundesländern 45.024 Euro und in den neuen Bundesländern 37.844 Euro.
Ein Arbeitnehmer, der nur zwei Drittel dieser Einkommenshöhe erhält, hatte damit 2022 einen Bruttojahresverdienst in Westdeutschland von 30.016 Euro und in Ostdeutschland von 25.256 Euro. Das vorläufige Durchschnittsentgelt aller gesetzlich Rentenversicherten – der Wert ist zur Berechnung der Rentenhöhe wichtig – lag 2022 jährlich bei 38.901 Euro in West- und 37.333 Euro in Ostdeutschland.
Damit hätte ein Geringverdiener nur 0,77 Entgeltpunkte in West- und 0,68 Entgeltpunkte in Ostdeutschland für das Jahr 2022 erreicht. Würde ein Beschäftigter 45 Jahre lang aufgrund seines niedrigen Einkommens jedes Jahr maximal die genannten Entgeltpunkte erzielen, hätte die gesetzliche Altersrente letztes Jahr in Westdeutschland höchstens bei monatlich 1.251 Euro und in Ostdeutschland bei 1.081 Euro gelegen.
Hiervon sind noch die anfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abzuziehen. Doch bereits bei einem zur Verfügung stehenden Nettoeinkommen von bis zu 1.250 Euro galt ein Alleinstehender laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2022 als arm.
Die Daten und das Berechnungsbeispiel verdeutlichen, wie wichtig es bereits in jungen Jahren ist, für das Alter vorzusorgen. Doch selbst wer ein hohes Einkommen hat, muss mit deutlichen Einkommenseinbußen rechnen, falls er sich nur auf die gesetzliche Altersrente verlässt.
Denn auch insgesamt liegt das Rentenniveau aktuell bei nur rund 48 Prozent. Dies verdeutlicht, dass alle gesetzlich Rentenversicherten, egal ob mit einem niedrigen oder hohen Einkommen, frühzeitig eine private Altersvorsorge aufbauen sollten, um im Rentenalter den bisherigen Lebensstandard halten zu können.
Bei der Berechnung der gesetzlichen Rentenansprüche und bei Fragen zur richtigen Höhe und der passenden Form einer sinnvollen Altersvorsorge sowie zur optimalen Nutzung von staatlichen Altersvorsorge-Förderungen kann ein Versicherungsfachmann weiterhelfen.
Auch wer der Ansicht ist, derzeit keinen finanziellen Spielraum dafür zu haben, sollte einen Experten zurate ziehen, denn manche Vorsorgemöglichkeiten – beispielsweise mithilfe einer staatlichen Förderung – erschließen sich erst nach einer gründlichen Analyse.