Eltern haften nicht immer für ihre Kinder

(verpd) Verursacht ein im Fahrradfahren hinreichend geübtes fast acht Jahre altes Kind einen Verkehrsunfall, so hat der Geschädigte gegenüber dessen Eltern auch aus dem Gesichtspunkt einer Aufsichtspflicht-Verletzung in der Regel keinen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Das hat das Landgericht Hagen in einem Gerichtsverfahren entschieden (1 S 50/21).

Nachdem ein knapp achtjähriger Junge mit seinem BMX-Rad einen Verkehrsunfall verursacht hatte, verklagte der Geschädigte dessen Eltern auf Zahlung von Schadenersatz. Er warf ihnen vor, ihre Aufsichtspflicht verletzt zu haben, indem sie ihr Kind ohne Begleitung am öffentlichen Straßenverkehr hatten teilnehmen lassen.

Die Eltern waren sich jedoch keiner Schuld bewusst. Denn ihr Sohn sei mit dem Umgang des Verkehrs auch im innerstädtischen Bereich vertraut gewesen. Er habe die Verkehrsregeln gekannt und sei die Strecke, auf welcher sich der Unfall ereignet hatte, auch zuvor ohne ihre Begleitung gefahren. Sie lehnten es daher ab, Schadenersatz zu leisten.

Vom Maß der gebotenen elterlichen Aufsicht

Zu Recht, befand das in Berufung mit dem Fall befasste Landgericht Hagen. Nach Meinung der Richter hat das Urteil der ersten Instanz Bestand, wonach der Kläger keinen Anspruch gegen die Eltern aus dem Gesichtspunkt einer Aufsichtspflicht-Verletzung gemäß § 832 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) hat.

Das Maß der gebotenen Aufsicht über Minderjährige richte sich zum einen nach deren Alter, Eigenart und Charakter. Zum anderen komme es auf die Gefährlichkeit des jeweiligen Verhaltens sowie auf das Ausmaß der vorhersehbaren Gefahren, die von der konkreten Situation für Dritte ausgehen, an.

Kinder müssten über die Gefahren des Straßenverkehrs frühzeitig belehrt werden. Sie müssten, insbesondere, was das Radfahren betrifft, behutsam in den Straßenverkehr hineingeführt und langsam daran gewöhnt werden, sich auf die vielfältigen Gefahren einzustellen und ihr Verhalten danach auszurichten. Das betreffe sowohl die Verkehrsregeln als auch die Fahrtechnik.

Augenblicksversagen statt Verletzung der Aufsichtspflicht

„Die sinnvolle Hinführung des Kindes zu einem selbstständigen, verantwortungsbewussten und umsichtigen Verhalten im Verkehr ist allerdings nur möglich, wenn ein Kind andererseits auch altersgerecht angepasste Gelegenheiten bekommt, sich ohne ständige Beobachtung, Kontrolle und Anleitung selbst im Verkehr zu bewähren.

Denn die Erziehung der Kinder zu verantwortungsbewussten Verkehrsteilnehmern liegt auch im Gemeinschaftsinteresse und ist insoweit nicht in dem Sinn der Alleinverantwortung der Eltern unterworfen, dass diese stets für ihre Kinder haften müssen“ – so das Gericht. Diesen Maßstäben seien die Beklagten gerecht geworden.

Die Fahrstrecke habe nur wenige hundert Meter betragen. Sie sei Teil des Schulwegs des Jungen gewesen. Das Fahrradfahren habe er außerdem seit mehreren Jahren hinreichend geübt. Es sei von ihm sicher beherrscht worden. Der Unfall sei daher offenkundig auf ein Augenblicksversagen zurückzuführen, welches nicht auf eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern schließen lasse.

Im Übrigen lasse der Umstand, dass dem Jungen durch seine Eltern ein BMX-Rad zur Verfügung gestellt worden sei, keine Rückschlüsse darauf zu, dass dieses im Straßenverkehr für Sprünge oder Ähnliches genutzt worden sei. Denn dass er zu solchen Verhaltensweisen geneigt habe, sei nicht ersichtlich.

Die Privathaftpflicht-Police: Kostenschutz für die Familie

Grundsätzlich gilt: Eltern haften für Schäden, die ihr Kind zum Beispiel im Rahmen eines Verkehrsunfalles anrichtet, nur wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Eine bestehende Privathaftpflicht-Versicherung bietet jedoch für die ganze Familie einen mehrfachen Schutz. So sind in einer solchen Police nicht nur die Eltern, sondern auch deren minderjährigen, aber auch die noch in der Ausbildung befindlichen volljährigen Kinder versichert.

Verursacht das Kind zum Beispiel als Fußgänger oder Radfahrer einen Schaden bei einem Dritten, für den es selbst oder die Eltern haften müssen, leistet eine bestehende Privathaftpflicht-Police den entsprechenden Schadenersatz. Eine solche Police wehrt aber auch, wie im oben genannten Gerichtsfall, ungerechtfertigte oder überhöhte Forderungen ab und trägt dazu zum Beispiel die anfallenden Prozesskosten.

Hat ein Kind, das nach dem Gesetz wegen seines Alters gemäß Paragraf 828 BGB als deliktunfähig gilt, einen Schaden verursacht und haben die Eltern dabei nicht ihre Aufsichtspflicht verletzt, geht der Geschädigte leer aus. In vielen Fällen, zum Beispiel wenn dabei ein Nachbar oder ein Bekannter geschädigt wurde, sehen sich die Eltern moralisch verpflichtet, den verursachten Schaden zu begleichen.

Daher kann man in einigen Privathaftpflicht-Policen – teils gegen Aufpreis – Schäden, die von deliktunfähigen Kindern bei Dritten verursacht werden, bis zu einer bestimmten Höhe mitversichern. Besteht ein solcher Einschluss, übernimmt die Privathaftpflicht-Versicherung einen solchen Schaden maximal bis zur vereinbarten Höhe, auch ohne dass das Kind oder die Eltern rechtlich zum Schadenersatz verpflichtet wären.

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