Depression – kein Tabu, sondern eine Volkskrankheit

(verpd) Mehrere Millionen Menschen erkranken hierzulande pro Jahr an einer Depression. Tendenz: steigend. Laut Daten einer gesetzlichen Krankenkasse wächst vor allem die Zahl der Patienten, bei denen Depressionen immer wiederkehren. Es gibt allerdings erfolgreiche Behandlungsmethoden. Mit ihnen lassen sich häufige Folgen wie Arbeitsunfähigkeit, Frühverrentung oder Suizid verhindern. Wichtig ist allerdings, dass die Krankheit rechtzeitig erkannt und behandelt wird.

Die gesetzliche Krankenkasse KKH Kaufmännische Krankenkasse hat für die Jahre 2010, 2019 und 2020 bundesweit anonymisierte Daten ihrer Versicherten zur Häufigkeit von depressiven Episoden sowie wiederkehrenden Depressionen ausgewertet. Demnach ist die Anzahl der Menschen mit einer einmaligen depressiven Phase im Zeitraumvergleich von 2010 und 2020 um gut 25 Prozent gestiegen. Noch deutlicher ist der anteilige Zuwachs bei Menschen, die immer wieder mit Depressionen zu tun haben. Hier liegt das Plus bei 82 Prozent.

„Depression ist eine Volkskrankheit. Jeder fünfte Bundesbürger erkrankt einmal im Leben daran“, erklärt Professor Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Inhaber der Senckenberg-Professur an der Universitätspsychiatrie der Goethe Universität Frankfurt am Main. Von einer Depression betroffen sein können Menschen aller Altersgruppen, allerdings gibt es auch welche, die besonders gefährdet sind.

An einer Depression kann jeder erkranken

„Eine Depression entsteht meist aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren“, weiß Dr. Aileen Könitz, Ärztin und Expertin für psychiatrische Fragen bei der KKH, wobei die Ursachen sehr individuell und vielfältig sein können. Das reicht von genetischen und neurobiologischen Faktoren über traumatische Erlebnisse bis zu Lebenskrisen oder Krankheit. „Dass depressive Erkrankungen jeden treffen können und gut behandelbar sind, ist inzwischen weitgehend bekannt“, ergänzt Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.

Allerdings gibt es auch eine Altersgruppe mit besonders hohen Fallzahlen: „Die meisten denken bei dem Thema kaum an ältere oder hochbetagte Menschen“, so Dr. Reimann. Dabei sind gerade in dieser Altersgruppe die Zahlen alarmierend. So sind laut Studien 17 Prozent der Menschen über 75 Jahren von depressiven Symptomen betroffen. Bei den Bewohnern von Pflegeheimen sind es sogar bis zu 50 Prozent. „Wenig bekannt ist auch, dass die Suizidrate bei älteren Menschen mit Abstand am höchsten ist“, verdeutlicht Dr. Reimann die Brisanz der Thematik.

Grundsätzlich ist es wichtig, erst einmal eine Depression als solche zu erkennen: Betroffene fühlen sich oft niedergeschlagen, sind erschöpft, antriebslos und verlieren ihre Interessen. Weitere Anzeichen sind ein Rückzug vom sozialen Umfeld und Zukunftsängste bis hin zu Suizidgedanken. Hinzu kommen häufig körperliche Beschwerden wie Konzentrations-Schwierigkeiten, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust oder -zunahme etc. Tipp: Ein Selbsttest der Stiftung Deutsche Depressionshilfe hilft, eine solche zu erkennen.

Fehleinschätzungen bei einer Depression

Interessante Einblicke liefert das 5. Deutschland-Barometer Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Die Ergebnisse wurden im November 2021 veröffentlicht. Laut dieser Untersuchung überschätzen die repräsentativ befragten 5.283 Personen im Alter zwischen 18 und 69 Jahren die Rolle der Arbeit für die Entstehung von depressiven Erkrankungen deutlich. Gleichzeitig wurde die Bedeutung der Veranlagung unterschätzt.

Außerdem glauben 68 Prozent der Befragten, dass ein Urlaub bei Depression hilft. 63 Prozent meinen, dass ausruhen und viel Schlaf gut sind. „Das Gegenteil ist der Fall: Langer Schlaf verschlechtert bei den meisten die Depression. Schlafentzug ist dagegen ein etabliertes Behandlungsverfahren in Kliniken. Auch Urlaub lindert die Depression nicht, da die Erkrankung mitfährt“, stellt Professor Ulrich Hegerl richtig.

Deshalb gilt: Bei einem Verdacht auf eine Depression sollte in einem ersten Schritt der Hausarzt hinzugezogen werden. Er überweist dann an einen Psychiater oder einen Psychotherapeuten. „Die Behandlung der Depression erfolgt gemäß den nationalen Leitlinien mit Antidepressiva und/oder Psychotherapie“, so Professor Hegerl.

Weitere Informationen und Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige

Ein zeitgemäßes Informationsangebot zum Thema mit derzeit 13 Folgen liefert der Radio- und TV-Sender NDR Info Podcast „Raus aus der Depression“ mit Harald Schmidt, der wissenschaftlich von Professor Ulrich Hegerl begleitet wird. „Je mehr Betroffene und deren Angehörige über die Erkrankung wissen, desto besser können sie damit umgehen. Der Podcast leistet einen wichtigen Beitrag dazu“, ist Professor Hegerl überzeugt.

Weitere Informationen enthalten die Webauftritte des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin, der Stiftung Deutsche Depressionshilfe oder des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Empfehlenswert ist ferner das Infotelefon der Stiftung Deutsche Depressionshilfe (Telefonnummer 0800 3344533) und die Beratungshotline der Robert Enke Stiftung (Telefonnummer 0241 8036777).

Bei akuten Problemen helfen außerdem der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Rufnummer 116 117, der Notruf unter 112 oder die Telefonseelsorge (Rufnummern 0800 1110111, 0800 1110222 oder 116 123 sowie per Onlineberatung) weiter.

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