Aufklärungspflicht der Kliniken bei Pflegebedürftigkeit

(verpd) Krankenhäuser sind dazu verpflichtet, potenziell pflegebedürftige Patienten über ihre Rechte gegenüber der Pflegekasse aufzuklären. Sollte das versäumt worden sein, hat die gesetzliche Pflegekasse für die Folgen einzustehen. Das hat das Bundessozialgericht in einem Gerichtsfall entschieden (Az.: B 3 P 5/19 R).

Ein 2003 geborener Junge wurde im Alter von zehn Jahren wegen eines bösartigen Hirntumors operiert. Ab Ende Juni 2013 erhielt er bis zum August 2014 Bestrahlungen und eine Chemotherapie. In den Zeiten zwischen den Behandlungen und danach wurde der Junge zu Hause von seinen Eltern betreut und gepflegt. Ihnen wurde von der Krankenkasse als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, bei der das Kind krankenversichert ist, bis zum September 2014 Leistungen für die Haushaltshilfe gewährt.

Im Rahmen der Reha-Maßnahme erfuhren die Eltern, dass ihrem Sohn ein Pflegegeld nach der Pflegestufe I zusteht. Daraufhin beantragten sie im November 2014 bei ihrer Krankenkasse die Zahlung der entsprechenden Leistung und zwar rückwirkend ab Juli 2013. Diesem Antrag gab die für den Jungen zuständige Krankenkasse nur teilweise statt.

Erfolgreiche Klage auf Zahlung von Pflegegeld ab Juli 2013

Die Krankenkasse wollte dem Jungen die Leistungen erst ab Antragstellung gewähren. Denn auf die Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, dass bereits seit Juli 2013 Pflegebedürftigkeit bestehe, komme es laut Krankenkasse ebenso wenig an wie auf die Tatsache, dass die Eltern erst spät Kenntnis über den Pflegegeldanspruch erhalten haben.

Doch dem wollten sich weder das in der Vorinstanz mit dem Fall befasste Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen noch das von der Krankenkasse in Revision angerufene Bundessozialgericht anschließen. Anders als die Erstinstanz, gaben beide Gerichte der Klage des Jungen beziehungsweise seiner Eltern als gesetzliche Vertreter auf Zahlung von Pflegegeld ab Juli 2013 statt.

Verletzung der Benachrichtigungs-Pflicht durch das Krankenhaus

Nach Ansicht der Richter steht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs einer rückwirkenden Leistungsgewährung nichts entgegen. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hatte das behandelnde Krankenhaus seine Benachrichtigungs-Pflicht aus Paragraf 7 Absatz 2 Satz 2 SGB XI (Elftes Sozialgesetzbuch) verletzt.

Darin heißt es: „Mit Einwilligung des Versicherten haben der behandelnde Arzt, das Krankenhaus, die Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen sowie die Sozialleistungsträger unverzüglich die zuständige Pflegekasse zu benachrichtigen, wenn sich der Eintritt von Pflegebedürftigkeit abzeichnet oder wenn Pflegebedürftigkeit festgestellt wird.“

Unzureichend beraten über Ansprüche auf Pflegeleistung

Es sei zwar richtig, dass ein Anspruch auf die Zahlung von Pflegegeld in der Regel erst vom Monat der Antragstellung an bestehe. Eine verspätete Antragstellung sei nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aber dann unschädlich, wenn Versicherte von der Pflegekasse nicht ausreichend über mögliche Leistungen im Pflegefall beraten worden sind und deshalb eine rechtzeitige Beantragung von Pflegeleistungen unterlassen haben.

Das gelte vergleichbar, wenn wie im Fall des Klägers in einem Krankenhaus über mögliche Ansprüche auf Pflegeleistungen im Anschluss an eine stationäre Versorgung unzureichend beraten worden sei, obwohl dazu objektiv Anlass bestanden habe.

Fehler der Leistungserbringer werden der Krankenkasse angerechnet

„Versicherte haben einen Anspruch auf ein Versorgungsmanagement. Das umfasst die Krankenhausbehandlung im Besonderen und ein Entlassungsmanagement zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche beziehungsweise nach der Krankenhausbehandlung“, so das Bundessozialgericht.

Zu erfüllen sei dieser Anspruch von den Krankenkassen mittels der beteiligten Leistungserbringer – im genannten Fall war dies das Krankenhaus. Die Fehler der beteiligten Leistungserbringer müssten sich die Kassen wie einen eigenen Beratungsfehler zurechnen lassen, soweit die Inanspruchnahme von Leistungen zur Pflegeversicherung betroffen sei.

Kostenschutz bei Verfahren vor dem Sozialgericht

Wie der Fall zeigt, kann es durchaus sinnvoll sein, sich gerichtlich gegen die Entscheidung eines Sozialversicherungs-Trägers zu wehren – im geschilderten Fall war die Krankenkasse der Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Zwar sind Verfahren vor einem Sozialgericht hinsichtlich der Gerichtskosten inklusive der gerichtlich eingeholten Gutachten für die in der Sozialversicherung Versicherten, für die Leistungsempfänger und für behinderte Menschen kostenlos.

Allerdings muss der Betroffene seine Rechtsanwaltskosten, sofern er den Gerichtsprozess verloren oder einem Vergleich zugestimmt hat, in der Regel selbst übernehmen. Anders ist es, wenn man eine Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung hat. Eine derartige Police übernimmt nämlich im Streitfall unter anderem die Anwaltskosten bei einem Sozialgerichtsstreit, wenn Aussicht auf Erfolg besteht und vorab eine Leistungszusage durch den Rechtsschutzversicherer erteilt wurde. Sie trägt aber auch bei zahlreichen anderen Auseinandersetzungen anfallende Gerichts- und Anwaltskosten.

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